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Drei Exkursionen:

Bildkompositionen
A. H. Payne - 1840er Jahre


Im Weitwinkel
G. Kobold, Serie um 1800


Die Wasserkunst auf
Postkarten um 1900

> Bildbetrachtung 1, 2, 3, 4
> Bilder
> Texte





Auf der Bank sitzen vier Personen, außen jeweils die Männer, in der Mitte zwei Frauen. Links daneben bilden drei Frauen eine kleine Gruppe, noch weiter links stehen zwei Männer dicht beieinander. In der Dreiergruppe fällt eine Frau auf, die beide Hände in der Hüfte abstützt und die Arme anwinkelt. Eine auffällige Beobachtungshaltung. Der bodenlange Mantel aus schwerem, schwarzen Stoff kommt durch die Schulterpolster besonders zur Wirkung. Er fällt von der Hüfte aus breit nach unten. In der Zeit der Fotoaufnahme ist es noch üblich, dass Frauen von Stand ein Korsett tragen, um die Taille zu betonen.

Alle Personen tragen Hüte, die fünf Männer entweder eine Melone oder einen Homburger. Diesen kennzeichnet die hochgebogene Krempe und der Mittelkniff. Die Melone zeichnet sich durch eine steife Krempe und rundem Kopf aus. Die ausgeformten, robusten Kopfbedeckungen unterscheiden den modebewussten, auf sich haltenden Herrn von Männern, die Fedoras (Hut aus weichem Filz) oder gar lediglich eine Mütze oder Kappe aufziehen. Eine Zuordnung zu einer Gesellschaftsschicht lässt sich für Deutschland durchaus ableiten. Der Grundsatz gilt, ohne Kopfbedeckung geht "man" nicht hinaus.

Ganz anders sieht das aber in Großbritannien oder gar in den USA aus. Als robuste Kopfbedeckung für Jagdaufseher entstanden, setzt sich die Melone (auch Bowler, nach dem Namen des Herstellers) in verschiedenen Gesellschaftsschichten durch. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts setzen sich die weichen, formbaren Filzhüte durch, die Melone gehört nun zum Dresscode für Banker in der Londoner City oder die Fiaker in Wien.
Im Deutschland der Zwanziger Jahre sind Melone und Homburger deutlicher das Zeichen, zur gutsituierten Schicht zu gehören - Statussymbol. Das gilt auch für den Spazierstock. Die beiden Männer halten ihn, auch auf der Bank sitzend, in der Hand.

Frauen tragen zu Beginn des 20. Jahrhunderts Kopfbedeckungen, selbstverständlich. Die noch in der Mitte des 19. Jahrhunderts auf Stichen z. B. von A. H. Payne gezeigten Hauben der gut gekleideten Besucherinnen der Wilhelmshöhe sind gestrige Mode, diese passen nicht mehr zur Garderobe der modernen Dame. Ohne Hut geht die situierte Frau nicht aus dem Haus. So grenzt sie sich von den Arbeiterfrauen ab, den Hausangestellten und Dienstmädchen mit Kopftuch. Die Hüte hier auf der Postkartenaufnahme dürften Einzelstücke sein, also für die Käuferin angefertigte Kopfbedeckungen. Die Frauen können sich das wohl leisten, solche Hüte sind teuer. Wer eine solche Kopfbedeckung trägt zeigt, dass sich Frau das leisten kann.

Aufschlussreich ist noch, wie die Männer sich zwar wenig in der Kleidung unterscheiden, aber dennoch Wert legen auf guten Stoff und Schnitt. Mantel und Geh-Rock in Grautönen und Schwarz sind um die Jahrhundertwende angesagt. Ist es hier auf dem Bild Kleidung von der Stange? Eher nicht, Konfektionsware wird zwar seit Ende des 19. Jahrhunderts angeboten, solche Ware gibt es in Herrengeschäften oder den neuen großen Kaufhäusern. Der Herr im Vordergrund dürfte eher einen maßgeschneiderten Anzug tragen und passend dazu den für ihn angefertigten Schuh. Auch das stellt er selbstbewusst heraus.
Die Frauen sind ebenfalls in den Farben eher zurückhaltend gekleidet. Die grau und anthrazit gehaltene Kleidung wird sie aber durch Accessoires wie kariertem Schal oder edlem Halstuch, der Feder auf dem Hut sowie Handschuhen dekorieren.
...

Fünf Paare haben sich eingefunden. Es sieht nach einem Sonntagsspaziergang aus, der um 1900 in allen Gesellschaftsschichten sehr beliebt ist. Und die Wilhelmshöhe, besonders der Rundgang um das Bowlinggreen und das Verweilen vor der Schlosstreppe, gehören einfach dazu. Es sind gut gekleidete Personen abgebildet. Wer solche Postkarten kauft und verschickt dürfte vielleicht ausdrücken wollen, dazu zu gehören zu den modernen Bürgerinnen und Bürgern, die das Spazierengehen hier oben pflegen und genießen können (!).
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Die Ansicht auf einer Postkarte