Im Mittelpunkt von "kasselerkunden" steht die Landesgeschichte, focussiert auf Kassel.
Aber je intensiver ich in die Geschichte Hessens eindringe, um so mehr kommen die anderen Landesteile in den Blick, werden interessant, gerade auch bei Fahrradtouren, beim Spazieren gehen oder Wandern mit Freunden, wenn Orte und Regionen mit Muße betrachtet werden...
Gudensberg und Maden als Kernlande Hessens, Kassel oder Marburg als Residenz, der Rivale Ziegenhain. Das Hinterland (Biedenkopf), Waldecksche Eigenheiten, der strategisch angelegte Zusammenschluss zum Wetterauer Grafenverein und im Süd-Osten selbstbewusst Büdingen-Isenburg und Gelnhausen. Weiter Bad Nauheim mal zu Hessen-Kassel, dann zu Darmstadt. Hanau-Münzenberg und Henneberg als mächtige Grafschaften, der besondere Status von Hanau als Teil von Hessen-Kassel. Die Entwicklung von Darmstadt zunächst als Ableger von Katzenelnbogen, dann als einflussreiches Fürstentum mit Gebietsansprüchen auf Rheinfels am Niederrhein sowie die große Gebietserweiterung mit Rheinhessen und Mainz als Teile des Großherzogtums Hessen-Darmstadt. Das Hin und Her im Nassauischen, die Auflösung der Grafschaft Diez, das mit den Oraniern dynastisch verbundene Dillenburg. Wer ist Residenzstadt der Nassauer, Weilburg oder Wiesbaden, schließlich Wiesbaden mit Schloss Biebrich als Zentrum. Die eigenständigen Grafschaften Solms und Wittgenstein. Überhaupt die Lahnregion mit der Perlenkette von Marburg, Gießen, Wetzlar, Weilburg, Limburg, Nassau, Bad Ems.
Zurück in den Norden und Osten: Die besondere Geschichte Witzenhausens, die Bedeutung von Bad Soden-Allendorf, die Gründung Bad Karlshafens, das Kanalprojekt rund um die Erschließung der Diemel, Fritzlar und Naumburg als mainzische Exklaven, das einflussreiche Hochstift und dann Bistum Fulda...
Die Eigenheiten dieser Regionen - nicht nur aus kasselischer Sicht - machen noch heute das Bundesland Hessen aus. Deshalb spiegelt Landesgeschichte immer auch die Besonderheiten der Orte und Gegenden wieder, denn hier ist zuerst eigenständige Geschichte verankert, dann die des Landes.
Bis heute spielen - untergründig und fein - mentale Zuschreibungen eine erkennbare Rolle im Miteinander, im Bewerten, im Identifizieren mit Hessen.
Wo kommen die Rivalitäten zwischen Darmstadt, Kassel, Wiesbaden und Frankfurt her? Warum ist noch heute das Gießener Oberhessen nach Frankfurt orientiert, das Marburger Oberhessen nach Kassel?
Bereits Ende des 15. Jahrhunderts erschüttert ein Bruderkrieg zwischen den beiden Landgrafen aus dem Erbe von Karl I. das Fürstentum. Nicht erst seit Philipps Teilung Hessens in Kassel, Rheinfels, Marburg und Darmstadt prägen solche Rivalitäten das politische Geschehen.
Bleiben wir bei Hessen-Kassel.
Immer wieder aufkommende Gebietsansprüche der Bistümer Mainz, Köln und Paderborn destabilisieren und nähren das Ringen um Selbständigkeit des mainzischen Fritzlar im Herzen Niederhessens, der Fürstabtei Fulda und der Reichsabtei Hersfeld. Die Exklaven Schmalkalden, Schaumburg, Plesse, Höxter bleiben irgendwie draußen. Hessen-Kassel ist ein Flickenteppich und dann auch noch die Machtspiele aus der Rotenburger Quart mit ständigen Versuchen, sich aus dem Paragium, der rechtlichen Oberherrschaft von Kassel, zu befreien.
Schließlich der Aufstieg zum Kurfürstentum Hessen-Kassel. Es gelingt aber nicht, den Norden und den Süden wirtschaftlich zu verbinden. Die Provinz Hanau bleibt auf Frankfurt und den Süddeutschen Raum ausgerichtet. Politisch scheitert der Kurfürst, denn der Kaiser lehnt die Königswürde ab. Als regierender Fürst darf sich Wilhelm I. "Königliche Hoheit" nennen lassen. So lautet die Titulatur: Kurfürst und souveräner Landgraf von Hessen, Großherzog von Fulda, Fürst zu Hersfeld, Fürst zu Hanau, Fürst zu Fritzlar und Fürst zu Isenburg, Graf zu Katzenelnbogen, Graf zu Dietz, Graf zu Ziegenhain, Graf zu Nidda, Graf zu Schaumburg etc.
Historische Kartenblätter zeigen die so vielschichtigen, verwirrenden Entwicklungen und Veränderungen nachvollziehbar auf. Wie lässt sich eine Übersicht und eine strukturelle Klarheit herausarbeiten und darstellen? Skizzen und Listen sind ein Mittel. Diese ergänzen aber "nur" ein mehrfaches Nachlesen und einige kleine Ausflüge in die Regionen, um sich dort eigene Gedanken zu machen und selbst etwas nachzuforschen
Die Aufzählungen oben sind unvollständig ;-) - Es wird aber sehr deutlich, wie sehr es auf eine Geschichtsvermittlung ankommt, die für Leserinnen und Leser entwickelt ist, die nur wenige Ausschnitte der historischen Entwicklung und auch der Besonderheiten in den Regionen kennen und (sogar) erahnen. Vielleicht wird im Blick auf die Aneinanderreihungen oben verständlich, warum es mir hier im Kapitel so wichtig ist, meine Suche nach geeigneten Formen der Geschichtsvermittlung und die Theorie-Absicherung dazu ausführlich darzustellen.
Mehr dazu unter Geschichtsvermittlung.
Hier direkt verweisen möchte ich auch auf meine Tipps zum Lesen und Forschen für Hessenbegeisterte wie mich.
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