Geschichtswissenschaft ist zuerst Forschen.
Ergebnisse, Einsichten, Erkenntnisse müssen dann (adressatenbezogen) vermittelt werden,
erst dadurch wird Forschung nachhaltig.
Ist diese Aussage nicht etwas zu banal,
denn sie gilt für alle wissenschaftlichen Berichte und, wer Untersuchungen nachlesen und prüfen will, kann sich die Veröffentlichungen ja vornehmen?
Es geht um mehr, um die Art und Weise, Ergebnisse und Erkenntnisse zu präsentieren. Geschichtsvermittlung hier in der Website ist auf historisch Interessierte und den Austausch mit Sachkundigen zugeschnitten, zugleich (!) aber auch auf Personen, die "einfach nur" etwas über die Landesgeschichte erfahren und ihre Stadt erkunden wollen.
Das Flyerkonzept ist darauf ausgerichtet, valide, also wissenschaftlich abgesicherte Ergebnisse inhaltlich verständlich vorzustellen. Das schließt Nutzungsvarianten und Leseprozesse ein. Bei einem Rundgang, einer Erkundung lassen sich die Materialstücke zur Hand nehmen und ohne festgelegte Abfolge von Texten und Bildern betrachten und mehr oder weniger intensiv studieren.
Mit "Flyer" beziehe ich mich auf den Aufbau und die Gestaltung von Faltblatt, Heft und Infografik. Das folgt einem Denkansatz, der wesentlich von der Diskussion rund um den Iconic Turn und von Konzepten aus der Medienwissenschaft (Infografik, Hypertext...) beeinflusst ist. Dazu zwei Erläuterungen:
1)
Hintergrund ist der Denkansatz Dekonstruktion, auf diesen stützt sich auch die Website-Architektur. Einzelne, für sich verständliche Sinneinheiten sind die Bausteine, um ein Verstehen von historischen Zusammenhängen aufzubauen.
In der Site wird
Geschichte also zerlegt in Sinneinheiten vorgestellt, diese lassen sich über Hyperlinks verknüpfen. Die Verknüpfungen sind Möglichkeiten und je nach Auswahl und Abfolge entstehen verschiedene Zusammensetzungen.
Zugleich, die Site-Architektur legt die Navigation als begleitendes Instrument an, sie bleibt sichtbar als Konstante gegenüber dem Verlinken auf neue Seiten, sie bleibt als Angebot erhalten, um den Leseprozess zu strukturieren und um sich bei Bedarf anleiten zu lassen.
In einem Flyer bzw. Heft werden über die Reihenfolge und den Aufbau von Seiten eine lineare Rezeption und eine Struktur angeboten. Aber auch die in Anlehnung an Hypertexte entwickelten Flyer regen ebenso zum Überfliegen und partiellen Lesen und Betrachten einzelner Seiten an, um dadurch ein Gesamtbild, den Überblick zu wahren und zugleich einen eigenen Leseprozess zu organisieren.
Die Dekonstruktion ist der Ausgangspunkt dafür, auf unterschiedlichen Seiten verschiedene Wissenseinheiten nachlesen zu können, Informationen aufzurufen und zu studieren, um diese schließlich dann selbst zu verknüpfen.
2) Mein Verständnis von Geschichte präsentieren folgt einer Definition von Bodo von Borries (Historisch Denken Lernen – Welterschließung statt Epochenüberblick): Über Entwicklungen und Änderungen in der Vergangenheit berichten und deren Geltung und Wirksamkeit in der Gegenwart
und für die
Zukunft sichtbar machen.
Es geht um Erzählungen. Diese sind die Basis von Geschichtsbewusstsein. Geschichtsvermittlung spricht explizit verschiedene Erzählungen an. Mein Anspruch ist es, Erzählungen in ihrer Vielschichtigkeit erkennbar darzulegen.
Diesen Anspruch will ich anhand von Beispielen erläutern, die sich nicht auf die Geschichte Kassels beziehen. Das betrachte ich als nützlichen "Umweg", weil ich so meine Motivation und den erkenntnistheorietischen Hintergrund verdeutlichen kann. Es sind
kleine Wissensreisen, die beispielsweise wie bei den Rundgängen hier, eine sinngleiche Verwendung der Begriffe Erzählung, Vermittlung und eigene Ergebnisse wiederspiegeln.
Die Wissensreisen hatte ich für den Schulalltag entwickelt, nicht unwesentlich beeinflusst durch mein Faible für "Die Sendung mit der Maus". Das hat mir dabei geholfen, meinen Unterricht als offenes, individualisierendes Lernen anlegen zu können. Nicht durchgängig, weil lehrerzentrierte Verfahren, Vorträge und Instruktionen ebenso sinnvoll sind, als gleichberechtigter Teil eines ausgewogenen Unterrichts. In meine Lernangebote sind Überraschungen, scheinbare Umwege und immer detektivisch zu lösende Aufträge eingebaut, ähnlich wie in zahlreichen Sachgeschichten mit der Maus. Und über die von mir ausgegebenen Flyer hinaus habe ich Materialien und Ideen an weiterführende und verzweigende Angebote in der digitalen Aufbereitung (Website) gekoppelt.
So sind kleine Wissensreisen im analogen und digitalen Format entstanden!
Ein Beispiel:
Computer rechnen binär
Eine Sachgeschichte aus "Die Sendung mit der Maus" untersuchen.
Es ist die Art, wie komplizierte Sachverhalte dekonstruiert und neu zusammen gesetzt werden. Christoph erklärt mit Händen und Füßen. Ein Lehrstück für eine sehr gescheite Präsentation.
Mein Material dazu (im Flyer) ergänzt und ist zugleich durch historische Verweise angereichert. Schließlich hat Leibniz das binäre System erfunden und irgendwie stecken im römischen Abakus und den mittelalterlichen Münz-Zähl-Tafeln doch auch Denkweisen in eine solche Richtung.
Dieser historische Kontext ist in der Wissensreise Teil einer Forschungsaufgabe.
Weitere Beispiele