Minididaktik, Tipps, Vorschläge

Ja, eine Wissensreise kann auch in Schritten und gestuft ablaufen. Mir ist dann aber wichtig, das Vorgehen mit den Schülern zu vereinbaren, also vorab zu klären.

Meine Anregungen hier orientieren auf Mischformen. Eine Wissensreise ist Werkstattunterricht oder sogar Projekt. Da gehören aber Vorträge und gelenkte Besprechungen in das ansonsten eher offene und auf Individualisierung ausgerichtete Unterrichten mit hinein. Es ist immer ein gemeinsames Lernen!

Wenn auf das gute Schreiben der Klausur hingearbeitet werden soll, ergibt sich die Abfolge aus der Logik der Aufgabenstellung. Zuerst sechs Materialstücke einzeln untersuchen! Dann, in der Klausur, Ergebnisse daraus verknüpfen.

Aber, die Wissensreise ist genauso darauf angelegt, das Thema „Hitlerjugend“ vertiefend zu behandeln, ohne die Klausur und die Klausur-Idee (Selbstevaluation) einzubeziehen oder sogar in den Mittelpunkt zu stellen.

Die folgenden didaktischen Überlegungen schließen beide Vorgehensweisen ein:

1. Das Thema Nationalsozialismus ist behandelt (Überblick, Grundwissen). Danach wird ein Film gemeinsam angeschaut und besprochen. Besser noch zwei Filme.

Einmal der deutsche Spielfilm von 2004 „Napola“. Im Mittelpunkt steht die Frage, wie die Jugendlichen in einer solchen Erziehungsanstalt beeinflusst werden, wie sie zu Handlungen „geführt“ werden, die nach dem Geschehen ein Erschrocken-Sein und Verzweiflung, ja sogar Wut zu Tage fördern. Das ist dann zu bewältigen. Was für junge Menschen werden da herangezogen. Die Analyse von Hitler-Reden nimmt das dann auf.

Beeinflussung und Vereinnahmung sind zentrale Fragestellungen der Wissensreise und, begrenzt auf die Filmanalyse, auch in der Kurzreise „Napola“. Anhand von Bildreihen können sich die SchülerInnen dort intensiv mit dem Teilthema auseinandersetzen.

Der zweite Film „Soldaten von Morgen“ aus dem Jahr 1941, bietet die Gelegenheit, anhand eines Original Werbefilms tiefer in die Fragestellung „Beeinflussung und Vereinnahmung“ einzusteigen und das ebenfalls anhand von Filmausschnitten zu untersuchen. Der Film ist mittlerweile freigegeben und auf DVD erschienen. Er wurde auf den wöchentlichen Heimnachmittagen und Heimabenden bei der weltanschaulichen Schulung eingesetzt, so, wie zahlreiche andere Werbefilme auch. Das Filme Anschauen war 1933 bis 1945 noch ein außergewöhnliches Ereignis. Jugendfilme waren äußerst selten. Der Besuch eines öffentlichen Kinos musste erst einmal bezahlt werden. Und das Fernsehen zuhause, das beginnt erst in den 50er Jahren.

Wichtig ist mir herauszustellen, dass die Nationalsozialisten äußerst geschickt und vielfältig Werbung eingesetzt haben und dass die Werbemittel zum großen Teil auch ausgesprochen gut konzipiert waren.
Dazu gehören Leni Riefenstahls Filme oder eben auch Soldaten von Morgen. Dessen Regisseur, Alfred Weidenmann, drehte noch bis in die 50er Jahre hinein erfolgreiche Filme. „Soldaten von Morgen“ ist in der Gesamtkonzeption und in der Schnitt-Technik mit Überblendungen und schnellen Wechseln raffiniert aufgebaut. Die Ton- und Bildwechsel sind auf Spannung erzeugende, Interesse weckende Sequenzierungen ausgerichtet.
Um das selbst zu erarbeiten, verweise ich mehrfach auf das Arbeitsblatt „Filme analysieren“, in der Wissensreise „Hitlerjugend“ direkt mit einem Link gesetzt.

2. Die in den Materialien vorbereitete Analyse von Werbeplakaten und Bildern, speziell der Plakate und Gemälde aus der Klausur, lehnt sich an kunsthistorische Vorgehensweisen an. In einer anderen Wissensreise („Jeans“) zeige ich das ausführlicher auf. Ein Abzweigen in ein Teilkapitel dieser Wissensreise könnte sich lohnen, weil dort der Ausgangspunkt >Werbe-Seiten in Zeitschriften< ist und anhand von Modefotos gut verdeutlicht werden kann, wie wirkungsvoll eine durchdacht konzipierte Werbung ist bzw. sein kann. In Gemälden finden sich die gleichen Gestaltungsprinzipien. Besser gesagt, die Werbefotografen heute oder viele Grafiker in der Zeit des Nationalsozialismus haben sich z. B. an den Alten Meistern orientiert, von diesen abgeguckt.

Es bietet sich hier an, zur Kurzreise „Postkartenwerbung für Hitler“ zu wechseln. Bilder sind nicht lediglich Anschauungsmaterial. Es sind Quellen und Texte, von denen aus sich anhand eines Mediums die politische Beeinflussung exakt herausarbeiten lässt.

3. Die Untersuchung von Hitlerreden habe ich am Beispiel von drei markanten "Reden an die Jugend" ausführlich aufbereitet und visuell gestaltet angelegt. Schülerinnen und Schüler sollen so über die grafische Darlegung und Auflösung von Reden einen Zugang zur intensiven Analyse von Inhalt und Form finden. Wichtig ist es, den Kontext mit einzubeziehen, deshalb die Seiten mit Fotos, die Hitler beim Reden zeigen. Im Mittelpunkt steht für die Klausur die im Lesebuch abgedruckte Rede „Der Führer an die deutsche Jugend“. Eine der beiden anderen durch Materialien aufbereiteten Reden ist die in Reichenbach 1938 (!) gehaltene Ansprache. Der Ort ist wichtig, Sudetenland! Zudem hat diese Rede einen hohen Stellenwert, weil besonders sie konzeptionell darauf angelegt ist, einzelne Abschnitte zu verwenden, umzustellen, zu verändern, um als Hintergrundfolie auf die jeweiligen Anlässe und Orte zugeschnitten werden zu können.

4. Der Info-Text aus den Schlaglichtern zur Deutschen Geschichte bündelt wichtiges Hintergrundwissen, über das die Schülerinnen und Schüler verfügen müssen. Der Band  (Bundeszentrale für Politische Bildung) sollte mehrfach in der Bibliothek stehen, zur Ausleihe, als Klassensatz. Auch hierzu habe ich Bearbeitungsvorschläge in die Wissensreise eingebaut. Eine wiederum grafisch angelegte Zusammenfassung bezeichne ich als Wortnetz. In einer solchen Aufgabe „Ein Wortnetz herstellen“ steckt mehr als im Auftrag, Schlüsselwörter zu finden, herauszuschreiben. Es geht um ein Umformen, eine Neuorganisation von Informationen, ein Verknüpfen, das neues Wissen sichtbar macht.

5. Die Grafik „Der Weg des „gleichgeschalteten“ Staatsbürgers“ ist seit Jahrzehnten immer wieder in Lehrbücher aufgenommen worden. Einen eindeutigen Nachweis auf die Urheberschaft, also den Grafiker, konnte ich nicht finden. Ich spiele damit, dass die Grafik durchaus in der Zeit des Nationalsozialismus entstanden sein könnte. Eben weil überzeugte Pädagogen und die Protagonisten eines „Gestaltens der neuen Zeit“ das gezeichnete Szenarium als bildhaftes Programm hätten verstehen können. Passt die Überschrift dazu? Haben die Nationalsozialisten auch selbst von Gleichschaltung geredet? Ist es also die Gleichschaltung in Anführungszeichen? Ähnlich wie bei „Machtergreifung“ und „Reichskristallnacht“? Wer hat die Grafik wann entworfen?

Diese Fragestellungen werden besonders interessant, wenn der Grafik ein Auszug aus der Hitler-Rede in Reichenberg gegenübergestellt wird. „Und dann geben wir Sie erst recht nicht zurück in die Hände unsrer alten Klassen-und Standeserzeuger, sondern dann nehmen wir Sie sofort in die Partei, in die Arbeitsfront, in die SA oder in die SS, in das NSKK und so weiter.“

Jürgen Fischer, Oktober 2010

D I D A K T I K
Ich meine Filme, die Fragen, Geschehen, Geschichten und Themen nicht nur (!) aus
der NS-Zeit aufarbeiten.
Es sollen Filme sein, von denen aus wir im Unterricht genaue Untersuchungen über die Hitlerjugend, die Gleichschaltung nicht nur des politischen Lebens, die Attraktivität der Fahrten, der Lager in der HJ und im BDM, die Beeinflussung der Kinder und Jugendlichen, die Erziehung, die "Rassenlehre" durchführen.
Beispiele: Napola, Hitlerjunge Salomon, Die Welle, Soldaten von Morgen, Hitler - Eine Karriere, Schindlers Liste, ...
Und, es geht dabei ganz speziell auch darum, diese Filme kritisch zu betrachten!
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