Das alte, noch unter Landgraf Friedrich II. aufgestockte und erweiterte Lustschloss Weissenstein, grenzt zur Stadtseite hin den barocken Garten ab, auch hier auf dem Parterre findet höfisches Leben statt, in einem nach draußen reichenden "Wohnzimmer", denn es schließt direkt an das Corps de Logis an. Der Bereich ist geometrisch gestaltet, Rasenflächen, Wege, Pflanzenbeete und Hecken sind in Form gebracht. Zugleich stellt das weitläufige Parterre die Verbindung zum ansteigenden Hang, also Richtung Kaskaden und Herkules her. Es endet an dem dreipassförmigen Fontänenbassin. Rechts und links gehen Wege ab, z. B. zum Schneckenberg am Nordrand. Diesen krönt ein Apollontempel, ein allerdings instabiler Holzbau, der in den frühen 1790er Jahren abgerissen wird. Es ist ein Entfernen von Fixpunkten und Verweisen (Tafeln) auf die Antike, die Friedrich II. in den Park einbeziehen ließ. Wilhelm befahl bereits 1786, also kurz nach dem Tod des Vaters, solche Gestaltungselemente zu entsorgen. Er bezeichnet diese in den Memoiren als "Sammelsurium von Holzstaffagen und schlechten Statuen" ( S. 247).
Jussows Vorhaben ist sehr anspruchsvoll:
Er will die bestehenden Seitenflügel und den noch zu bauenden Mitteltrakt zu einer stimmigen Schlossanlage ausbauen. Unklar ist noch, ob die drei Teile verbunden werden oder freistehen sollen und so vom Lac aus den Blick auf die Fontäne durch Weißensteintrakt und Corps de Logis hindurch freigeben. Auf Wilhelms Vorliebe für Ruinen zugeschnitten hat er zuvor die Idee für einen ruinösen Mitteltrakt zeichnerisch dargestellt, ein Vorhaben, von dem er zusammen mit seinem Vorgänger du Ry den Fürsten abbringen konnte. Schließlich liegen Pläne für die Felsenburg vor und Wilhelm konzentriert sich dann ganz auf die später von ihm so bezeichnete Löwenburg.
Es ist einerseits eine Daueraufgaben für Jussow, die zahlreichen Prospekte und Entwürfe für den Landgrafen vorzusortieren. Andererseits konzentriert er sich auf Planungen, um Schritt für Schritt den barocken Park in einen Landschaftsgarten verwandeln zu können. Genial ist, wie der Hofbaumeister dabei wenige barocke Elemente auswählt und betont, um sie als wohlgeordnete Szenarien im neuen, dem im romantischen Stil konzipierten Park zu belassen. Dazu gehören die Broderien, die geometrisch in den Rasen eingelassenen Pflanzenbeete vor der Schloss-Terrasse und das Wegekonzept.
Das zentral einbezogene Element ist die barock konstruierte Mittelachse. Wie gelingt hier die Verbindung von alter, künstlich geformter und (scheinbar) natürlich belassener neuer Parkgestaltung?
Das Bassin verliert seine geometrische Ausformung und wird zum Teich. Die kleine Insel mit der nunmehr "Großen Fontäne" rückt nach rechts, daneben leitet der Apollon-Tempel (auch Jussow-Tempel) den Blick hinüber zu den Peneus-Kaskaden, die das vom Aquädukt kommende Wasser aufnehmen und dem Fontänenteich zuführen.
Vom Bowlinggreen aus betrachtet ziehen Fontäne und Tempel gerade wegen dieser Platzierung etwas (Fontäne) und deutlich (Tempel) neben (!) der Hauptlinie die Aufmerksamkeit auf sich.
Peseus und Apollon verweisen auf die griechische antike Mythologie. Diese Platzierung im Gartenbild drängt aber zugleich dazu, auch die in der Mittelachse angesiedelte Götterwelt wahrzunehmen, markiert durch die Plutogrotte neben der Teufelsbrücke und oberhalb davon mit dem Neptunbecken.
Nicht zufällig ist hier der Teich zwischen Plutogrotte und Neptunbecken im Zuge der Neugestaltung ausgehoben worden. In ihm sammeln sich die von der barocken Kaskade abfließenden Wasser mit dem vom Aschteich herbeigeleiteten Wasser. Das "barocke" Wasser steht dem romantischen Wassertheater zur Verfügung.
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Teil 2
Hofbaumeister und Gartenarchitekt